Studentisches Theater im ThOP

Was gehört eigentlich alles zu einer Theaterproduktion dazu, wie findet man als Laie den Zugang zum Theater und was ist das Besondere am Theaterspiel im ThOP? Ich habe mit Mike und Johannes gesprochen, zwei Studenten der Uni Göttingen, die sich im ThOP engagieren.


Es ist Mittwoch Nachmittag und im Seminar für Deutsche Philologie an der Universität Göttingen wird fleißig gearbeitet: die Bühne im studentischen „Theater im OP“ – ThOP wird gerade für ein neues Stück umgebaut. Auf der Bühne stehen Leitern und Menschen wuseln durch die Gegend. Ab dieser Woche darf das Tanztheaterstück „6 Tanzstunden in 6 Wochen“ ins ThOP einziehen und dafür sind die rund zehn Menschen damit beschäftigt, das Bühnenbild zu gestalten. 

Ich treffe mich mit Johannes zu einer kleinen Führung durch die Räume, die sich um die Bühne herum befinden und bin neugierig, mehr darüber zu erfahren, was alles zu einer Theaterproduktion gehört. In den von der Bühne aus beidseitig steil aufsteigenden Rängen aus Holzbänken habe ich als Zuschauerin schon oft gesessen und verschiedene Theaterstücke angeschaut. In deutscher und englischer Sprache, mit wenigen oder vielen Darsteller*innen, Kammerspiele, absurdes Theater, Tanztheater und noch einige mehr, deren Genre ich nicht mehr weiß. Johannes wirkt vertraut mit dem Ort und dem Treiben und erklärt mir, dass die Crew für ein Theaterstück immer zu Beginn der Spielzeit in das ThOP einzieht – das Theater gehört dann für diese Zeit dem Stück und allen Menschen, die daran mitwirken. Und das sind mitunter viele: im Stück „Publikumstheater“, in dem Johannes auch mitgespielt hat, waren insgesamt 50 Menschen auf der Bühne. Hier passten gar nicht mehr alle Schauspieler*innen in den Backstage-Bereich und alle, die gerade nicht dran waren hielten sich in der ‚Notaufnahme‘ auf – so heißt der Raum ein Stockwerk unter der Bühne. Der heißt so, weil sich dort früher tatsächlich die Notaufnahme befand, als das Theater noch der OP-Saal des Lehrkrankenhauses der Universität war. Es ist ein seltsames Gefühl zu wissen, dass früher dort wo jetzt die Bühne ist tatsächlich Menschen operiert wurden. 

Eingang zum Bühnenbereich des ThOP. Foto: Miriam Flöricke

Umso schöner, dass hier jetzt eine Bühne und ein Theater mit viel Platz für die Umsetzung kreativer Ideen ist. An den Produktionen im ThoP können sich grundsätzlich alle Menschen beteiligen, die Lust darauf haben, ganz unabhängig von Vorkenntnissen im Theaterspiel. Dazu gibt es in Kooperation mit der Uni ein breites Angebot an Kursen rund um das Theaterspiel: vom Maskenbilden und Kostüm, über Bühnensprechen bis hin zu Regieführung ist alles dabei. 

„Ich denke die Kurse sind sehr gute Übungen und Einführungen in die Theaterarbeit“, findet Mike. Auch er stand schon im ThOP auf der Bühne. Er hat den Zugang vor allem über Theaterkurse gefunden, von denen hat er schon einige besucht. Zusätzlich zum stressigen Studienalltag, neben zwei parallelen Studiengängen und den Herausforderungen als internationaler Student wollte er unbedingt Zeit fürs Theaterspiel finden: „Das Ding ist, Theater selbst macht viel Spaß“, meint er lachend und seine Begeisterung ist zu spüren. 

Seine Motivation fürs Theaterspiel war zunächst sehr pragmatisch – als Lehramtsstudent wollte er Theater als Methode kennenlernen, die er später auch im Unterricht einsetzen kann. Er meldete sich deshalb für das Zertifikat ‚Theaterpraxis‘ an, mit dem man sich die Teilnahme an Kursen des ThOP bescheinigen lassen kann, wobei man auch Credits für das Studium erwirbt. Dabei merkt er, dass ihm die Erfahrung gefällt, auf der Bühne in verschiedene Rollen zu schlüpfen und so andere Seiten von sich kennen zu lernen. Für Mike, der aus China kommt und zum Studium nach Göttingen gezogen ist, ist Sprache zunächst eine Hürde beim Theaterspiel, denn deutsch ist seine dritte Sprache. Er entscheidet sich daher auf der Bühne lieber für Statisten- oder keine Nebenrollen mit sehr wenig oder ohne Text. Für die schreibt er sogar kleine Biografien, um sich in die Rolle einzufühlen und sie authentisch darstellen zu können: „Ich überlege mir, wie war die Kindheit, vor wem hat die Person am meisten Angst? Wie ist die Person bis zur heutigen Situation aufgewachsen und hat sich entwickelt?“ In den Proben entwickelt er dann vor allem durch Improvisation die Rolle. 

Mike hat sich viel mit Theater beschäftigt – für ein Filmprojekt für seinen Masterabschluss in Kulturanthropologie hat er mit Profi-Schauspieler*innen aus Göttinger Theatern gesprochen. Zu diesem Thema ist er vor allem durch seine Theatererfahrung am ThOP gekommen. Zusätzlich zum Schauspiel ist Mike in der Öffentlichkeitsarbeit des ThOP engagiert. Das passt gut zu seinem Studium in visueller Anthropologie, denn bei der Videoproduktion konnte er das „Handwerk“ mit Kamera- und Tonaufnahmen sowie Videoschnitt für das Studium üben. 

Trotz der großen Begeisterung für das Theaterspiel schätzt er selbst die Vorteile des Laientheaters, wie es das ThOP anbietet und kann sich nicht vorstellen, das Theaterspielen zum Beruf zu machen.

Plätze für die Maske im Raum neben der Bühne. Foto: Miriam Flöricke

„Die Arbeit mit der Materialität – das Bühnenbild, die Kostüme, die Maske, sind im ThOP sehr hochwertig für ein Laientheater“, findet Mike. Johannes macht gerade den Kurs im Maskenbilden und möchte dann vielleicht bei der nächsten Produktion dabei mithelfen. „Bühnenschminken ist ganz anders als alltägliches Make-up“, bemerkt er. Aber zunächst ist Johannes mit Proben für das Stück „Der Geflüchtete“ beschäftigt, das im September im ThOP aufgeführt wird, es ist bereits das dritte Stück bei dem er mitspielt. Ich frage, was für ihn das Schwierigste am Schauspielern ist.

Die vielfältigen kreativen Möglichkeiten, sich im ThOP einzubringen machen es zu einem besonderen Ort in Göttingen, der einen Raum für Spaß, Herausforderung, Ausprobieren und Lernen schafft. Daraus entstehen dann außerdem noch oft beeindruckend professionelle Theaterproduktionen.

Anmerkung: die Namen aller Personen im Beitrag wurden anonymisiert