Die Gefahren von „gesichtsoptimierenden“ Filtern in Zeiten von Social Media

Die Augen größer, die Nase schmaler, das Hautbild ebenmäßiger, der Mund voller und die Wangenknochen höher – viele der so genannten „Filter“, wie sie auf Apps wie Instagram und Snapchat zuhauf zu finden sind, vermitteln ein bestimmtes Bild von einem schier unerreichbaren Schönheitsideal. Welche Gefahren liegen darin, wenn Filter zur Norm werden und die Grenzen zwischen Realität und Illusion immer mehr verwischen? Sind wir denn nie „schön genug“?

Video: Laura Theismann / instagram

Das Streben nach Perfektion nimmt im Zeitalter von Social Media immer mehr zu, was sich unter anderem in diversen Bearbeitungsapps und gesichtsverändernden Filtern widerspiegelt. Dabei wird das Narrativ eines konkreten Schönheitsideals bedient, das von berühmten Persönlichkeiten, wie zum Beispiel Kim Kardashian, vorangetrieben wird. Das „perfekte Gesicht“ soll ebenmäßig und symmetrisch sein, leuchtend große Augen, eine schmale Nase und volle Lippen haben. Dass jenes „Ideal“ allerdings nahezu nur durch Schönheitsoperationen erreicht werden kann bzw. Stars und Influencer*innen nicht einmal selbst aussehen, wie es ihre geposteten Fotos suggerieren, gerät dabei oft in Vergessenheit.

Das Projekt mit dem Titel „selfie harm“ des Fotografen Rankin, der einigen vielleicht aus der Fernsehshow „Germanys Next Topmodel“ bekannt ist, beschäftigt sich ebenfalls mit den Auswirkungen von Instagram-Filtern. Darin wurden Jugendliche gebeten, ihre eigenen Porträts so zu bearbeiten, dass sie nach ihrer Empfindung auf Social Media veröffentlicht werden könnten. Dabei bedienten alle Teilnehmer*innen das eben benannte „Schönheitsideal“ und bearbeiteten ihre Gesichter teilweise so stark, dass sie kaum mehr wiederzuerkennen waren. Das Experiment zeigt, dass der Drang nach Selbstoptimierung immer stärker wird und das Selbstbewusstsein Jugendlicher unter unrealistischen Vorbildern vehement leidet.

Gerade Teenager sind noch sehr beeinflussbar und können oft nur schwer bis gar nicht einschätzen, ob die ihnen angezeigten Fotos der Wirklichkeit entsprechen. Oftmals wird die Echtheit auch gar nicht hinterfragt und der erste Reflex ist eher, sich zu fragen: „Warum sehe ich nicht auch so aus? Sollte ich nicht so aussehen, damit mich möglichst viele Menschen attraktiv finden?“ Viele Influencer*innen greifen sogar auf verschiedene „Tricks“ zurück, um zu vertuschen, dass Filter oder andere Formen der Bearbeitung verwendet wurden. So scheint es zum Beispiel beliebt zu sein, bereits im Vorfeld aufgenommene „Instagram-Stories“ hochzuladen, damit den Follower*innen nicht angezeigt wird, dass ein Filter angewandt wurde. Auch verschiedenste Bearbeitungsapps werden immer besser darin, möglichst subtile Ergebnisse zu erzeugen, die das menschliche Auge leicht täuschen können. Besteht also nicht die Gefahr, dass durch Filter und Bildbearbeitung ein verzerrtes Bild der Realität entsteht?

Lena, die nach eigener Aussage viel Instagram nutzt und auch regelmäßig Fotos dort von sich postet, hat bereits erkannt, dass Instagram-Filter einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf sie haben: „Mich beeinflussen Instagram-Filter in meinem Selbstbewusstsein tatsächlich so weit, dass ich mit meinen eigenen Bildern nicht mehr zufrieden bin.“ An ihrem Beispiel wird deutlich, dass durch den nahezu unausweichlichen Vergleich mit anderen, das eigene Selbstbewusstsein sehr stark negativ beeinflusst werden kann. Man vergleicht sich in der Welt des Social Media nicht mehr nur mit anderen Menschen, sondern mit ihren perfektionierten und modellierten Versionen, ohne dies immer auf den ersten Blick erkennen zu können oder es sich ständig bewusst zu machen.

Auch Nino, der verschiedenste Social Media Plattformen nutzt, erkennt eine deutliche Gefahr in Instagram-Filtern: „Ich finde die Gesamtwirkung von Instagram und Filtern auf Leute allgemein und Jugendliche im Speziellen sehr schädlich, weil dort ein verzerrtes Bild von der Realität vermittelt wird, zu der sich Jüngere immer mehr hingezogen fühlen. Anders als früher zum Beispiel in der Werbung, bekommt man diese Scheinwelt quasi 24/7 vorgelebt.“ Tatsächlich ist das Konzept des unrealistischen Schönheitsideals natürlich kein neues: Schon vor Social Media wurde zum Beispiel in der Werbung oder auch im Fernsehen ein explizites Bild von „Schönheit“ vermittelt, was auch heute noch der Fall ist. Durch die enorme Zeit allerdings, die Jugendliche auf Social Media verbringen, lässt sich wohl behaupten, dass der Einfluss noch um einiges höher geworden ist.

Diesbezüglich beleuchtet Instagram-Nutzerin Gina das Problem eher von einer anderen Seite: „Instagram-Filter verändern die Wahrnehmung von Schönheit nicht. Sie sind eher ein „Mittel zum Zweck“, um ein bestimmtes Schönheitsideal voranzutreiben. Das Problem sind nicht die Filter an sich, sondern der gesellschaftliche Druck, der dahinter steht.“ Sicherlich ist das Konzept eines Schönheitsideals tief in unserer Gesellschaft verankert und Instagram-Filter nicht der einzige Grund dafür. Was sich aber wohl ohne Zweifel sagen lässt, ist, dass sie einen wesentlichen Einfluss auf die Wahrnehmung von Schönheit haben und ein Diskurs über die möglicherweise tiefgreifenden Gefahren dahinter stattfinden sollte.

Erheblich mehr Transparenz auf Social Media darüber, inwieweit die dort dargestellten Fotos bearbeitet wurden, wäre in jedem Fall mehr als wünschenswert. Wenn Nutzer*innen von Instagram und anderen Social Media Plattformen die Bearbeitung ihrer Bilder kenntlich machen müssten, wie es bereits für Produktplatzierungen und Werbung inzwischen sogar rechtlich vorgesehen ist, wäre dies beispielsweise schon ein großer Schritt in die richtige Richtung. Bereits jetzt existiert eine Art „Gegenbewegung“ von Influencer*innen, die bewusst unbearbeitete Fotos von sich, oft auch in unvorteilhaften Posen und mit scheinbaren „Makeln“, zeigen. Es bleibt zu hoffen, dass dies einigen Menschen und vor allem Jugendlichen hilft, die „Social Media Illusion“ eines „perfekten Aussehens“ als solche zu erkennen und wieder zu mehr Selbstakzeptanz zurückzufinden.