Das Wetter, ja das war an diesem Tag nicht auf unserer Seite. Regen war angesagt und das wurde auch geliefert. Geplant war das Kathi (so wird sie von allen genannt) und ich uns in Braunschweig vor dem Green Pearl, dem Studio in dem sie arbeitet, treffen und wir einen Kaffee trinken gehen, um uns zu unterhalten. So mussten wir es auf Zoom verlegen, was nach dem Pandemiejahr keine Neuheit mehr ist. So sitze ich nun in meinem Arbeitszimmer an meinem Schreibtisch, umgeben von meinen Büchern und anderem Krimskrams, vor meinem Computer und warte auf Kathi. Wir beide sind bei uns zu Hause in einer gewohnten und komfortablen Umgebung was etwas dabei hilft locker zu starten. Als die Verbindung zwischen uns beiden besteht und die Kameras an sind, sitzt sie mit Kopfhörern auf dem Kopf und lächelt freundlich. “Ich hoffe es macht dir nicht zu viele Umstände, dass wir das Gespräch nun über Zoom machen?“ fragt sie mich ein bisschen verlegen. Ich versichere ihr das es überhaupt nicht schlimm ist und es ja keinen Sinn gemacht hätte durch Braunschweig zu laufen, während es in Strömen regnet. Wir beide sind etwas nervös, was anzumerken ist. “Mein Freund hat mich heute oft gefragt ob ich nervös bin interviewt zu werden“, erzählt sie mir, “aber jetzt wo ich hier sitze und dich sehe, hat sich das gelegt“. Ich frage sie warum sie denn nervös ist, und sie antwortet das sie es nicht gewohnt ist das jemand etwas über sie schreiben möchte und das sie im Fokus steht, was uns beide zum Lachen bringt und die Situation weiter etwas auflockert.

Kurz vor einem Burn-Out

Da das Eis nun gebrochen ist frage ich sie, was sie vor dem Tätowieren eigentlich gemacht hat. Sie warnt mich das es dauern wird da sie etwas ausholen muss, aber das stört kaum und mein Interesse ist geweckt. Sie erzählt das ihre ganze Familie sehr kreativ ist, ihre Schwester eigenen Schmuck herstellt und ihr Vater viel handwerklich macht, sie aber “in der Schule jetzt nicht wirklich die ganze Zeit gemalt habe oder so. Da hab ich eher gelesen um mich abzulenken“ sagt sie lachend. Ihre Mutter habe auch eine kreative Ader. Aber nach der Schule hat sie erst mal Bankkauffrau gelernt. Was mich sehr überrascht. Sie sieht mir meine Überraschung an und erklärt das es ihr als ein sicherer Beruf erschien. Sie sei nicht übermäßig begeistert darüber gewesen aber dachte es wäre recht einfach, “Man hat halt mit Zahlen und Fakten zu tun und da dachte ich, da kann nicht viel schief gehen“. Sie arbeitete in diesem Beruf für 10 Jahre, erklärt sie, bis sie an einen Punkt angekommen war, wo es nicht mehr ging. “Mir hat das zwischenmenschliche gefehlt. Ich kam an dem Punkt an wo es mir überhaupt keinen Spaß mehr gemacht hat und ich auch nicht mehr über die Arbeit reden wollte“. Sie wirkt nicht mehr so lebhaft wie vorher und wird etwas ruhiger und nachdenklicher. Sie erzählt von einer Kollegin die Jünger war und zweimal zur Kur musste . “Ich weiss nicht ob es bei mir schon soweit war, aber das was es war, war für mich genug um die Reißleine zu ziehen“, fügt sie hinzu. Es ist ihr anzusehen das es keine einfache Zeit für sie war. Aber sie wirkt entschlossen als sie erklärt das es für sie das Richtige war, auch wenn es hieße nochmal eine Ausbildung zu machen oder zu studieren.

Keine Typische Ausbildung

Es kam ihr dann der Gedanke “plötzlich, und ich weiss auch nicht woher, aber Tätowieren wäre schon geil“ sie wirkte dabei viel aufgeweckter und emotionaler. Sie spricht davon das ihr Freund sie dabei unterstützte und sie ermutigte. Die Dankbarkeit für die emotionale Unterstützung springt durch den Monitor hinüber. Und so spricht sie ihren eigenen Tätowierer bei ihrem nächsten Besuch an und fragt ob er sie Ausbilden würde. “Ich sollte ihm doch mal was malen und dann beim nächsten Mal mitbringen und zeigen. Ich war sehr nervös und hab mich gefühlt wie bei einer Prüfung als ich ihm langsam meine Mappe gereicht habe“, da muss sie lachen als sie sich an diesen Moment zurück erinnert. Der Tätowierer mag ihre Arbeit und fragt wann sie denn Anfangen könneÄhh also , der hat gesagt, ich will ich will, und ja, so hab ich ihn dann als erstes tätowiert“, und da muss sie wieder los lachen.

Bild von Kathi

So nach und nach kamen dann Freunde auf mich zu die ich tätowieren konnte und dann die ersten Kunden. Der Lehrmeister hat aber immer mal noch drüber geguckt

Kathi über ihre Ausbildung

Das erste Tattoo war Ariel die Meerjungfrau, etwa A4 Größe, erklärt sie. Sie habe aber trotzdem fünf bis sechs Sessions gebraucht und sie hat “Geschwitzt wie ein Schwein und war nervös hoch Zehn. Weil wenn etwas daneben geht dann war es das“. Nach und nach kamen dann weiter Freunde die sich tätowieren ließen und dann auch Kunden. Ihr erstes Tattoo hat sie unter anderem mit einer Single Needle gestochen, was heißt das die Linien sehr fein sind und dadurch auch leicht Fehler passieren. “Nachdem ich dann einige Leute tätowiert hatte, hat mein Meister gesagt, ’Jo, jetzt bist du fertig’“, erzählt sie und erläutert dann, dass der Beruf noch nicht anerkannt ist und es deswegen auch keine feste Ausbildungszeit gibt. Bei ihr selbst waren es 1 1/2 Jahre. “Theoretisch braucht man nichts weiter als eine Maschine und einen Gewerbeschein“. Auch ihre Eltern haben sich gefreut als sie ihnen von ihrem Plan berichtet Tätowiererin zu werden. Sie seien zwar überrascht gewesen aber “sie wollten das ich das mache, was mich glücklich macht und das mache was mir Spaß macht“ fährt sie fort. Vor allem ihre Mutter war dann Feuer und Flamme und wollte sie mit Kleinigkeiten unterstützten, wie etwa Zewa Rollen. “Ich hab dann eine Liste gemacht mit allem was ich brauchte. Und ähm, da hab. Die meiste Unterstützung, so erzählt sie, erhielt sie von ihrem Freund. “Ohne seine Unterstützung und seinen Rückhalt hätte ich das nie so geschafft“. Hier wird sie wieder sehr emotional und man kann es sehen und hören. Kathi’s Augen leuchten und ihre Wangen werden leicht rot. Ihre Stimme ist voller Dankbarkeit und Liebe.

Tattoo Ratschläge, Tabus, eigene Tattoos und Ziele

Sie selber hat ihr erstes Tattoo mit 19 Jahren bekommen und über die Jahre sind immer mehr dazu gekommen. Persönlich hat sie lieber große Projekte, wie ihr linkes Sleeve (der ganze Arm wird tätowiert) Tattoo was insgesamt ein halbes Jahr gedauert hat um es fertig zu stellen. Es ist recht düster und arbeitet im Negativen und mit Kontrasten. Auch beim tätowieren, sagt sie, mag sie große Projekte lieber. Bei kleinen Tattoos, so erklärt sie es mir, verbringt sie fast mehr Zeit mit Auf-und Abbau der Arbeitsstation als mit dem eigentlichen Tätowieren. Es sei aber auch schön mal was Kleines zu tätowieren. “Ich finde es halt so süß manchmal zu sehen wie so kleine Sachen Leute echt glücklich machen. Für mich ist es eine Sache von 10 Minuten aber für den Kunden bedeutet es die Welt“ erzählt sie mit einem Lächeln. Wenn sie vom Tätowieren und all seinen Facetten erzählt, ist der Unterschied zu ihrem vorherigen Beruf hör-und sichtbar. Sie blüht auf und wirkt offener, locker und glücklich darüber zu sprechen und es ist ersichtlich, dass dieser Beruf sie erfüllt. 

Video von Kathi: Tätowieren vom rechten Unterarm in Black and Grey

Wenn es um das tätowieren anderer geht, gibt es gewisse Sachen und auch Körperstellen die sie nicht macht. “Es gibt da so ein Sprichwort bei uns, ’Hals und Hände kommen am Ende’. Ich tätoowiere jetzt nicht jemandem am Hals oder im Gesicht wenn es erst das zweite Tattoo ist. Da kann man erst andere Stellen nehmen. Das bedeutet jetzt nicht das ich es ab dem dritten tattoo machen würde. Erst wenn nicht schon der restliche Körper weitgehend tätowiert ist“, erklärt sie und führt weiter aus, dass sie sowieso niemanden tätowiert der unter 18 ist. Es gebe auch einige Stellen am Körper wo es keinen Sinn macht sich tätowieren zu lassen. Die Zunge wäre so ein Körperteil. Sie erklärt mir, dass die Zunge einfach ein ganz anderes Gewebe sei als die normale Haut. Deswegen hält sich die Farbe dort nicht so, wird eher fleckig und verläuft leicht. Wichtig sei auch sagt sie, das man sich sicher sein sollte was die Motiv Wahl anbelangt. “Wie man so schön sagt, sei mal schwanger mit. Such dir was raus und dann lass es liegen oder mal es dir auf und denk ein paar Monate darüber nach. Und wenn es dann noch gefällt dann können wir gerne darüber sprechen“. Was ihren Stil betrifft, erläutert sie, habe sie sich über die Jahre verändert. Sie sticht gerne feine Arbeiten, Florales und was die Natur betreffe geht auch immer aber “Mein Wunsch oder Ziel nenne ich es jetzt, und es wäre schon geil wenn ich das Hauptsächlich machen könnte“.

Green Pearl und Corona

Seit Mai 2020 arbeitet sie nun schon im Green Pearl in Braunschweig. Durch Corona hat sich alles etwas verschoben, sagt sie. Eigentlich hätte sie schon im März anfangen sollen aber dann kam der Lockdown. Als ich sie frage wie denn das Arbeitsklima dort so ist, gerät sie ins schwärmen. “Da muss ich jetzt mal richtig anfangen los zu schleimen“ und da muss sie erstmal laut loslachen. “Ich muss wirklich sagen das es mir wahnsinnig, wahnsinnig gut gefällt dort zu arbeiten“. Als einzige Frau im Team wird sie nicht anders behandelt und es macht Spaß mit jedem einzelnen anderen Tätowierer zu arbeiten und sich auszutauschen weil alle sehr locker sind und sich untereinander helfen und unterstützen. Es gibt zwei Räume in dem Studio, vorne wo tätowiert wird und hinten der Aufenthaltsraum, wo gegessen wird und Vorlagen erstellt werden. Und so erklärt sie mir, dass man sich gegenseitig über die Schulter schaut. Entweder aus Neugier oder weil nach Hilfe gefragt wurde. Und so tauscht man sich aus und “manchmal gibt dann jemand einen Vorschlag und dann war es das eine wonach gesucht wurde und wo der Kopf drüber zerbrochen wurde. Und das ist echt klasse“, schwärmt sie weiter über die Arbeit in der Pearl, wie sie von Kathi und den anderen genannt wird. Aber durch Corona musste auch sie unfreiwillig ihre Arbeit nieder legen und zu Hause bleiben. Corona hat auf viele Branchen Auswirkungen gehabt und somit auch auf das Tattoo Gewerbe. Da viele Tätowierer aber Selbstständige sind, erklärt Kathi mir, konnte sie sich auf die Corona Hilfen der Regierung verlassen die auch recht zügig bei ihr waren. Nichtsdestotrotz war sie froh wieder arbeiten zu dürfen. “Es gibt dann gewisse Motive auf die ich mich schon sehr freue. Dann gucke ich in meinen Kalender und denke ’Ja dann und dann kann ich das stechen‘ und dann geht die Vorfreude los“. Als sie mir das erzählt hat sie ein großes Strahlen im Gesicht und man glaubt es ihr sofort das es so ist. Die Arbeit in einem reinen Männer Team mache ihr überhaupt nichts aus, “Ja es sind Quatschköpfe und da kommt auch mal ein Spruch, aber ich weiß das es nur Spaß ist und nicht böse gemeint ist“. Sie hofft jetzt für die nähere Zukunft, dass das Studio erstmal offen bleiben kann da sie immer noch dabei ist die ausgefallenen Termine des Lockdowns nachzuholen. Bis November sind noch Termine nachzuholen. Erst dann kann sie wieder neue Kunden und Termine einplanen.

Als unser Gespräch langsam zu Ende geht, frage ich sie ob sie ihre Entscheidung bereue. Sofort und ohne zu zögern sagt sie “Nein. Auch wenn ich in fünf mini Jobs arbeiten müsste, würde ich nie wieder auch nur einen Fuß in die Bank setzten. Es ist einfach nicht mein Ding. Ich bereue es überhaupt nicht“. Und es ist ihr anzusehen und zu hören, dass sie das wirklich so meint. Sie versichert mir noch mal, dass ihre Arbeit ihr viel Spaß macht. Vor allem die Arbeit im Green Pearl sie erfüllt und sie ihren Tag nun damit verbringt etwas zu tun, was ihr Spaß und Freude bringt. Ihr Werdegang hat sie zu dem Beruf gebracht der sie glücklich macht und mit dem sie auch andere Leute glücklich machen kann. Ich bedanke mich nochmal bei ihr für das Gespräch und sie lächelt mich noch einmal mit ihrem ansteckenden Lächeln an und wir verabschieden uns.