Am 20. August 2018 gründete sich die Umweltbewegung Fridays for Future – seit diesem Zeitpunkt hat sich auch Lauritz Gimbert intensiver mit dem Thema auseinandergesetzt. Lange Zeit war der Klimawandel für ihn ein sehr abstraktes Problem, zu dem ihm der Bezug fehlte. Als die Fridays For Future Bewegung ins Rollen kam, war es ihm anfangs gleichgültig, wer die ganzen Aktionen organisiert. Ihm war allerdings schnell bewusst wie wichtig das Thema ist. Nun ist der 19-Jährige selbst seit einem Jahr Aktivist bei der Fridays for Future Ortsgruppe in Göttingen und mitverantwortlich für die Organisation verschiedener Protestaktionen. Dabei schwankt seine Gefühlslage ständig zwischen Angst, Motivation, Optimismus und Frust.

Ohne es zu wissen, war ich Lauritz bereits einen Monat vor unserem Interview schon bei einer Fridays For Future Aktion auf der Straße begegnet. Sie bemalten mit Kreide den Boden vor der Commerzbank in Göttingen, um gegen die Finanzierung der Banken fossiler Energien zu protestieren.

Nicht nur klassische Demonstrationen werden von den Aktivist:innen organisiert. (Foto: Fridays For Future Göttingen)

Lauritz wirkt so, als wisse er gar nicht so genau, wie er in die ganze Sache hinein geratet ist. Aber jetzt wo er mitten drin ist, brennt er auch dafür. Dies zeigt sich vor allem in seiner Verärgerung gegenüber der Politik. Es sei lachhaft was die Politik mache. Sein Frust ist aber auch gleichzeitig sein Antrieb. Die wissenschaftliche Faktenlage werde ignoriert und die ganze Thematik nicht ernst genug genommen. Das Paradoxe an der ganzen Sache sei, dass sich trotzdem alle Parteien den Klimaschutz auf ihre Fahnen schreiben – allerdings nur für den guten Schein nach außen. Früher habe man die Schüler:innen noch ermahnt, sie sollen Freitags doch lieber in die Schule gehen. Und dass eben jene Parteien heute versuchen, die Bewegung für sich zu instrumentalisieren, sei dreist. Die Aufforderungen, die Schule nicht zu schwänzen, lassen zwar nach, aber das liegt vielleicht einfach daran, dass durch Corona die Schulen über einen längeren Zeitraum geschlossen hatten.
Corona hat für Fridays für Future und Lauritz natürlich alles verkompliziert. Nicht nur die Planung wurde aufgrund von Online-Treffen schwieriger. „Gestern haben wir uns das erste mal wieder in Präsenz getroffen“, sagt er mit einem Grinsen im Gesicht. Da entstehe direkt mehr Spaß und die Beteiligung andere Aktivst:innen sei wieder höher. Es gab Zeiten während des Lockdowns, bei dem nur drei Leute zum wöchentlichen Online-Plenum erschienen sind. Aber auch die Durchführung der Streiks wurde nicht leichter. Es musste auf viel mehr geachtet werden, wie zum Beispiel Hygienekonzepte und Blocksysteme bei den Demonstrationen. Viel schlimmer ist allerdings, dass die Wahrnehmung der Gesellschaft und der Politik für den Klimawandel von Corona überschattet wurde und immer noch wird.

Aufgrund der Hygienemaßnahmen gibt es während der Pandemie auch mehr mit dem Ordnungsamt zu klären. (Foto: Fridays For Future Göttingen)


Kann Fridays For Future eine Veränderung bewirken?

Vor der Pandemie entwickelte sich das Klima zu dem zentralen Thema. Lauritz ist trotz dessen davon überzeugt, dass durch Fridays Fot Future und andere Klimabewegungen sich die Wahrnehmung in der Gesellschaft enorm geändert habe. Er gibt die Hoffnung nicht auf. Vielleicht sind es auch noch der anfängliche Optimismus.

Er stellt positiv heraus, dass auf vielen Produkten jetzt Klimaneutralität draufstehe. Ob das wirklich was bringe, weiß er nicht aber für ihn scheint es wichtig zu sein, dass die Themen in den Köpfen der Menschen verankert werden. Und wenn man bei jedem Einkauf Siegel mit Klimaneutralität sieht, kommt man irgendwann nicht mehr daran vorbei, sich Gedanken darüber zu machen.

Als ein Beispiel für eine Veränderung der Wahrnehmung in Bezug auf den Klimawandel nennt er die Aussage des Airbus Chefs. Dieser betonte, wie nachhaltig das Unternehmen sei. Lauritz begegnet dem fast schon ein bisschen sauer und kommentiert: „Natürlich seid ihrs nicht, aber es ist beeindruckend, wie selbst solche Konzerne das als Image herausstellen müssen, weil sie sonst Probleme haben werden.“


Die Umweltpartei versagt

Lauritz Enttäuschung ist besonders groß gegenüber den Grünen. Die Partei, die sich als die Umweltpartei dahinstellt, schaffe es nicht, das momentan wichtigste Thema auf die Reihe zu bekommen. In ihrem Parteiprogramm betonen sie das 1,5 Grad Ziel. Lauritz fehlen aber für die Einhaltung des Ziels entscheidende Maßnahmen. Er hält dementsprechend das 1,5 Grad Ziel für eine leere Floskel. Aber genau darin sieht er ein sehr großes Problem.

„Ich finde, die Grünen gehen nicht weit genug, aber viele anderen sagen, die Grünen sind eine Verbotspartei und das ginge alles viel zu weit.“

Dies sei ein großer Zwiespalt in der Gesellschaft. Er wünscht sich eine Partei, die sagt „Wir wollen die 1,5 Grad und das kann auch weh tun, aber es lohnt sich und muss sein.“


Was kann ein einzelner Mensch erreichen?

Für Lauritz ist es ganz wichtig zu betonen, dass es beim Klimaschutz nicht um Einzelhandlungen gehe. Es gebe viele Kampagnen gegenüber Politiker:innen über ihre Flugbilanz. Auch das sei ein Aspekt, stellt Lauirtz fest, aber man müsse aufpassen, dass man sich wirklich auf die großen Dinge fokussiere.

„Kohlekraftwerke sind so einfach abzuschaffen im Vergleich dazu den Menschen zu verbieten Fleisch zu essen oder zu Fliegen.“

Trotzdem müsse natürlich der Fleischkonsum, das Fliegen und Autofahren stark sinken.
Wir sitzen bei ihm draußen auf der Terrasse. Die Glocken leuten pünktlich zu Beginn unseres Interviews. Für Göttingen wirkt es doch sehr ländlich. Die Vögel zwitschern und man hat einen schönen Ausblick. Lauritz wohnt dort mit seinen Eltern. Er kommentiert dies allerdings selbstkritisch. Natürlich sei es unnötig, zu dritt in so einem großen Haus zu wohnen. Er sei auch schon viel in seinem Leben geflogen und er habe nicht aufgrund des Klimas angefangen vegetarisch zu leben.
Aber er hält es für sinnvoller, das Problem global zu lösen und nicht mit dem Finger auf einzelne Personen zu zeigen. Lauritz betont, dass viele Meschen nicht auf Fleisch verzichten werden, wenn es andere nicht auch tun. Seine Idee ist es, zu etablieren, dass Fleisch deutlich teurer wird und so dieses Problem leicht in den Griff zu bekommen sei. Er lässt immer wieder durchblicken, dass er wenig Verständnis für das Handeln der Politiker:innen hat und stellt heraus, dass es in vielen Punkten doch eigentlich so einfach wäre etwas zu ändern und zu handeln. Man merkt, dass im Laufe der Zeit auch Lauritz Optimismus immer mehr schwindet.

Angst

Trotzdem versucht er sich immer auf das Gute zu fokussieren – dies sei bei anderen Klimabewegungen ganz anders. Er erzählt, dass bei vielen Leute Angst der Antrieb sei, sich zu engagieren und etwas zu ändern. Lauritz versucht sich eher an den positiven Veränderungen, die es hin und wieder in kleinen Schritten gibt, festzuhalten und die Hoffnung nicht aufzugeben.
Aber das fällt ihm nicht immer leicht. Auch Lauritz muss sich hin und wieder seiner Angst stellen. Er erklärt, dass dies aber weniger Angst für sich selbst sei, sondern eine Art Besorgnis um andere Menschen. Er ist sich bewusst, dass er in einem reichen privilegierten Land wohnt, welches in naher Zukunft nicht in einem allzu großen Ausmaß vom Klimawandel betroffen sein wird. Aber für viele andere Leute werde es sehr schlimm werden und das bereite ihm Sorgen.


Lauritz gibt nicht auf!

Lauritz in Aktion (Foto: Fridays For Future Göttingen)


Lauritz hat gerade seine Schulzeit beendet und macht sich jetzt auf den Weg nach Norwegen zum Wandern. Danach möchte er anfangen Physik zu studieren. Dies wird ihn aber nicht davon abhalten, bei Fridays For Future weiterhin aktiv zu bleiben.


„Wenn es irgendwie geht, will ich auf jeden Fall weiter bei FFF mitmachen, solange Deutschland nicht auf das CO2-Budget zusteuert, dass dem Land für eine wahrscheinliche Erreichung des 1,5 Grad-Ziel zusteht“.


Falls er für sein Studium in eine andere Stadt zieht, möchte er sich dort direkt einer Organisationsgruppe anschließen. Es ist erstaunlich, wie reflektiert Lauritz die ganze Thematik betrachtet und die Hoffnung trotz aller Dämpfer, die es in den letzten Monaten gab, nicht aufgibt. Er ist überzeugt davon, dass sich etwas ändern muss und als junger Mensch ist der Aktivismus bei FFF ein guter Weg um sich nicht allzu machtlos zu fühlen. Eventuell möchte Lauritz bald auch einen Schritt weiter gehen und sich sogar auf Bundesebene bei Fridays for Future beteiligen. Hoffentlich wird dann auch die Politik bald einen Schritt weiter in Richtung Klimaschutz gehen.