Text: Tanja Reiter


International Studierende im Lockdown

Studieren im Home- Office und Online-Lehre sind für die beiden Studentinnen Nitya und Zainab, wie bei anderen Studierenden keine fremden Umstände mehr. Lange Tage am PC, Powerpoints, BBB, Zoom, Skype etc. sind für sie, wie bei vielen von uns nicht aus ihrem Tagesablauf wegzudenken. Für viele Studierende ist es manchmal herausfordernd, sich an diese neue Situation zu gewöhnen. Aber was, wenn alles anders ist? Alle Pläne sich plötzlich ändern? Genauso war es bei den beiden internationalen Studentinnen Zainab aus Pakistan (23) und Nitya aus Indonesien (23), die für ihren Master mit dem Erasmus- Projekt im Oktober 2020 nach Göttingen gezogen sind. Erasmus+ soll die persönliche Entwicklung der Studierenden unterstützen und internationale Verbindungen zwischen Universitäten und Forschungen vereinen. Beide leben in einer WG. Letzte Woche haben mir die Studentinnen viel über ihre Erfahrungen mit der deutschen Kultur, dem Online-Studium und ihrer internationalen WG erzählt. Aber auch, wie es ist im Lockdown motiviert zu bleiben, neue Kontakte zu knüpfen und die Stadt zu entdecken.

Zainab auf dem Balkon ihres Wohnhauses, Foto von Tanja Reiter


Einmal hin und wieder zurück-Zainab blickt nach vorn

„Die Pandemie hat alles umgeworfen, was ich mir für dieses Jahr erhofft habe“, berichtet mir Zainab in flüssigem Englisch, in unserem Gespräch via Skype. Sie ist sehr mitteilsam und redet gerne, wie sie mir im Gespräch verrät. Die Agrarwissenschaftsstudentin erzählt mir von ihrem Weg nach Göttingen, der nicht ganz einfach war. Sie berichtet, dass sie im Januar mit dem Erasmus-Projekt ihren Bachelor in Spanien beendet hat. Sie erwähnt, dass sie im Februar in England eine Freundin besucht hat und anschließend wieder nach Spanien zurückkehrt, um ihren Masterstudiengang in „Plant Health and Sustainable Cropping Systems“ zu beginnen. Nun spricht sie schneller und muss selbst lachen, da sie es selbst kaum fassen kann, wo sie dieses Jahr überall hingereist ist. In dieser Timeline ist ihr Jahr im Überblick dargestellt:

https://docs.google.com/spreadsheets/d/e/2PACX-1vSke-Pz0Fr3wUPEDORPXG-t-Os7cwcCmyPkUtRnodPRMdlleRe04UaOGTlHm-4CRoKhZ-ep9mMm-UGi/pubhtml


Man merkt, dass es ein verrücktes Jahr für sie ist, aber dass sie es mit Humor nimmt. Sie hat ein Lächeln auf ihrem Gesicht, ihre gelbe Brille unterstreicht diese positive Art. „Am dreizehnten März hat der Lockdown in Spanien begonnen und dann hatte ich eine vier monatige Studienpause, dort durfte man das Haus nur verlassen, um einkaufen zu gehen“, berichtet sie, alle Daten dabei genau im Kopf. In Spanien wartete sie auf ein Visum, damit sie den zweiten Teil ihres Masters in Göttingen fortsetzen kann. Ihr Lachen ist dabei ansteckend, als sie erklärt wie ihr Jahr verlaufen ist. „Ich habe zwei Monate auf ein Visum gewartet und das ist eine lange Zeit, wenn du nicht weißt, ob es funktionieren wird“, sagt Zainab mir direkt. Man merkt, dass sie eine motivierte und aufgeschlossene Person ist, die auch während des harten Lockdowns in Spanien ihre Pläne nicht aufgegeben hat. In dieser Phase hat sie unter schwierigen Bedingungen ihre Abschlussarbeit fertiggestellt. Sie erhält das Visum für Deutschland, reist aber wegen einer Familienangelegenheit für einige Zeit nach Pakistan. Nun wird ihre Stimme ruhiger, ihr Blick ist freundlich und als sie ihren Kopf zum Fenster ihres Zimmers wendet, merke ich, dass sie über eine schwierigeren Abschnitt in diesem Jahr spricht. Sie wählt ihre Worte jetzt überlegter. „Es war eine Zeit, in der ich unter Druck stand, da ich nicht wusste, ob ich wegen der Pandemie innerhalb von drei Monaten nach Deutschland reisen kann“. Denn wäre sie nach dieser Zeitspanne nicht in Deutschland angekommen, wäre ihr Stipendium nicht mehr gültig gewesen. „Als ich in Pakistan war, trafen sehr viele Leute aus meiner Familie zusammen, deshalb dachte ich, ich hätte mich mit Covid infiziert und habe befürchtet, deshalb nicht weiter reisen zu können. Aber der Test war negativ“ erzählt sie erleichtert, mit einem freundlichen Blick, nun wieder in die Kamera gerichtet.

Zainab an ihrem Schreibtisch, Foto: Tanja Reiter

„Am 15. Oktober bin ich in Göttingen angekommen und finde es sehr belebend“ erzählt sie. Sie wirkt sehr zufrieden und freut sich auf das zweite Studienjahr ihres Masters „Plant Pathology and Crop Protection“, der „joined degree“. In ihrem Studium belegte sie andere Kurse als geplant, da wegen der Pandemie nicht alle an der Georg-August-Universität Göttingen verfügbar sind. Sie ist jedoch froh über die Kurse, die sie jetzt belegt hat. „Online ist es manchmal schwieriger zu folgen und man kann nicht gleich nachfragen.“, erklärt sie. Zainab nimmt es jedoch mit Humor, macht einen Witz, dass es einen auf Trap hält, wenn man aufgefordert wird die Kamera anzumachen. Nebenbei ist sie als Editorin für die Dissertation einer Freundin in London tätig, wie sie stolz formuliert. Sie ist eine sehr engagierte Studentin.


Homeoffice bei Nitya in der Internationalen WG

Portrait International Studnents
Nitya an ihrem Schreibtisch, Foto: Tanja Reiter

„I enjoy studying here”, erzählt mir Nitya fröhlich, die bereits ihren Master abgeschlossen hat und nun mit dem Erasmus-Projekt für ein zusätzliches Master-Semester an der forstwissenschaftlichen Fakultät studiert. Sie sitzt am Schreibtisch, den sie sich weihnachtlich eingerichtet hat, mit getrockneten Rosen, einem Adventskalender, aber sonst keinen unnötigen Schnickschnack. Ihre Studienutensilien sind ein Schreibblock, ein Tablet und ein Laptop. Sie wohnt mit einer deutschen Studentin, Zainab und drei internationalen Studentinnen in einer WG. „Wenn ich in der WG lerne, kann ich mich gut konzentrieren, da es eine ruhige Atmosphäre bei uns ist. Ich finde es sehr gut, dass die SUB und Unigebäude noch geöffnet sind und ich dort hingehen kann, in Indonesien war das ganz anders“ erzählt sie mit motivierter Stimme.
„Wenn ich zwischen meinen Kursen eine Pause brauche mache ich einen Spaziergang zum Campus, da ich die Atmosphäre dort sehr gerne mag“, äußert sie begeistert, schnell und in flüssigem Englisch. In ihrer Stimme schwingt jetzt Nachdenklichkeit mit, als Nitya über ihr Online-Studium in Indonesien berichtet, denn dort gab es keinen Zugang mehr zu der Universität. Manchmal gab es dort auch technische Probleme bei den Online-Kursen. Außerdem war sie sehr weit weg von ihrer Familie und lebte alleine in ihrer Wohnung in der Nähe zur Universität. Für sie war das die stressigste Zeit des Jahres, da sie ihren Master beenden musste. „In meinem Studium an der Fakultät für Forstwissenschaften fühle ich mich nicht limitiert“, meint sie sehr überzeugt, sie spricht jetzt schneller, wenn sie über ihr Fachgebiet spricht.
„Besonders gut finde ich das Hybrid-Modell meiner Kurse, in denen zehn Leute den Kurs am Nordcampus besuchen können, während die anderen Teilnehmer den Kurs von zu Hause verfolgen, das hilft mir sehr“, sagt sie. Sie läuft dann gerne zum Nordcampus, denn sie mag es an der frischen Luft zu sein. Sie ist kommunikativ und hat bereits Kontakte zu Studierenden aus Ländern wie Indien, Nepal oder den USA gewonnen. „Eigentlich wäre ich auch schon früher in Göttingen angekommen, aber durch den Lockdown wurde das Erasmus Projekt erstmal verschoben“, erzählt sie ruhig, nun spricht sie langsamer. „Ich bin froh, dass wir hier sehr gut unterstützt werden, die ProfessorInnen geben sich Mühe, dass wir neben den Online-Plattformen mit Übungen unterstützt werden“, schildert sie begeistert.
Etwas in der Schwebe ist es allerdings, wie das Programm des Erasmus-Projekts genau weitergeht, aber sie und die anderen Erasmus-Studierenden hatten eine Willkommens-Party via Zoom, was ihr hilft Kontakte aufzubauen. Auch zu den Workshops des Foyer International wurde sie eingeladen. Was in der Online-Lehre besonders schwierig ist, ist der deutsch-Kurs, wo „sechsig Leute online teilnehmen und man auf jedes Detail achten muss, um die Aussprache zu verstehen“, erklärt sie ruhig. Sie hat zwei Offline-Kurse, wo sie die „lebhaften Diskussionen und die Atmosphäre im Raum“ mag. Nitya schätzt Produktivität und findet es sehr gut, dass jede Person ein Raum geboten wird, seine Meinung zu vertreten. Als sie davon erzählt, lächelt sie, ihre Augen leuchten. Auch Zainab läuft zum Nordcampus, denn auch sie ist gerne draußen. „Mein Ziel ist es eigentlich am Tag 10.000 Schritte zu laufen“, äußert sie. Beide Studentinnen sind neugierig, wie sich ihre weitere Zeit in Göttingen entwickeln wird.

Work-Life-Balance

„In der WG haben wir sehr gute Bedingungen“, findet Zainab, die sich sehr gut mit ihren MitbewohnerInnen ihres Wohnhauses versteht. Ihr hat es auch geholfen, dass ihre deutsche Mitbewohnerin sie unterstützt und die Programmkoordinatorin ihr und den anderen Studierenden die Stadt gezeigt hat. Das Zusammenleben in der WG und die Arbeit gelingt ihr, aber sie ist sich sicher „Being too comfortable is not good.“ „Einmal am Tag muss ich rausgehen, sonst kann ich mich nicht konzentrieren.“, schildert sie ebenfalls. Zainab ist sehr kommunikativ und hat schon zehn Leute in Göttingen kennengelernt und war auch mit anderen KommilitonInnen wandern. Manchmal treffen sie sich in einer kleinen Gruppe zum gemeinsamen Essen. Wie hält sie ihre Work-life-balance? Zainab macht, wenn möglich keine Studienaufgaben am Wochenende. „Manchmal telefoniere oder skype ich auch mit Leuten aus meinen Kursen, das hält die Verbindung“. „In der letzten Oktoberwoche haben wir uns alle kurz vor der SUB getroffen, um zu sehen, wer alles in meinem Haus wohnt.“, erinnert sie sich.
Für Sport bleibt im Studienalltag allerdings nicht mehr so viel Zeit. Nitya und Zainab machen beide Yoga und gehen manchmal laufen. Sie erzählt, dass sie in den letzten Monaten nicht künstlerisch aktiv war, obwohl sie ab und zu gerne malt. Zainab zeigt mir eine Tasse, die sie bei Paint your Style bemalt hat.

Zainab’s selbstbemalte Tasse, Foto: Tanja Reiter
Nitya in der Küche ihrer WG, Foto: Tanja Reiter

Begeistert erzählt sie aber von der Fotografie als ihr neues Hobby. Sie fotografiert aus dem Fenster oder bei Spaziergängen. Ihre Eindrücke teilt sie auf ihrem Instagram-Profil (@xaynabmakhdoum). Sie mag ihr Studium, aber manchmal empfindet sie ihren Alltag als eintöniger, der dann manchmal nur aus Einkäufen und Kursen besteht. „At the moment i feel very connected and at some moments I feel so distant from everything.“ Sie kann ihre Empfindungen gut beschrieben. Da sie gerne Zeit in der Natur verbringt, freut sich, dass es viele Möglichkeiten zum Laufen gibt. Das Wochenende nutzt sie zum Wandern, da sie gerne neue Orte besucht und das Wochenende lieber draußen verbringt. „Das viele international Studierende auch von meiner Universität in Indonesien kommen mir geholfen Kontakte zu knüpfen.“, stellt Nitya fest.

Neue Hobbies und Pläne

Das Reisen an sich macht Zainab nichts aus, denn sie macht das sehr gerne und hatte sich für dieses Jahr vorgenommen den Osten Europas zu bereisen und auch Italien, da sie gerne neue Kulturen kennenlernt. Nitya würde noch mehr Städte und Kunstmuseen in Deutschland besuchen.Sie war schon in Goslar, Kassel und Hannover, ihre Eindrücke teilt sie auf Instagram (@nityaad). In der Ecke ihres Zimmers steht eine Gitarre und sie hat vor kurzem angefangen zu lernen, wie man sie spielt.

Eine Sache der Mentalität

Beide sehen auch positive Seiten und haben einen Weg für sich gefunden, wie sie am besten durch diese Zeit gehen können, damit sie möglichst viel von ihrem Auslandssemester mitnehmen können. Zainab hört viel Musik, die für Entspannung sorgt. Sie findet, dass man mehr über sich lernt und sich in Stressmanagment übt. Sie ist sehr dankbar für die Erfahrungen. Sie ist gelassen und kann auch über sich lachen, wenn z.B. bei einem Referat bei Zoom nicht alles wie geplant läuft. Nitya geht ebenfalls sehr gefasst mit den Entwicklungen um. Sie ist überzeugt, dass es eine Sache der Mentalität ist, wie man mit den Bedingungen umgeht.
Nitya und Zainab sind zwei sehr engagierte Studentinnen, die sich zum Positiven wenden. Sie zeigen, dass man einfach mit dem flow gehen muss, um sich in einer neuen Stadt einzuleben und in Bewegung zu bleiben. Sie mögen es Leute kennenzulernen. Sie gehen, wo sie können gestärkt und motiviert durch die Pandemie. Sie beide finden motivierende Worte, die uns verdeutlichen: bleibt geduldig, es wird besser.