„Wir hätten ja lieber pinke Farbbeutel, das würde viel besser zu einer Damenverbindung passen.“ Meinen die Damen der ADV Talithia zu Göttingen beim Betrachten der Fassade aus Spaß. „Aber wir werden von den Linken da ja nicht gefragt“.

12107878_782188921926902_7345417366866254750_n
Das sogenannte „Couleur“ der Talithia

Die ADV Talithia stiftete sich im Jahr 2014, damals waren die Damen zu viert. „Talithia“ kommt aus dem Aramäischen und steht für Mädchen; ADV ist eine Abkürzung für „Akademische Damenverbindung“.  Von den Gründungsdamen ist nur noch eine übriggeblieben: Elisabeth (Name geändert und der Redaktion bekannt). Elisabeth und ihre Freundinnen waren vor der Gründung ihrer Verbindung durch die Hochschulpolitik und durch ihre Freundeskreise während des Studiums mit Verbindungsstudenten in Kontakt gekommen. Als sie nach einiger Zeit mit den Traditionen vertraut waren, keimte der Wunsch auf, selbst auch so etwas haben zu wollen. Zwar gibt es seit Ende der Achtzigerjahre eine Damenverbindung in Göttingen, aber: „Sich einer Studentenverbindung anzuschließen heißt auch einen weiteren Freundeskreis zu haben. Und der muss erst mal passen.“ Erläutert Ilka (Name ebenfalls geändert), amtierende Scriptora, also Schriftführerin der Talithia.

Dass Ilka in einer Verbindung ist sieht man ihr nicht an. Als typisch für Verbindungsstudenten gelten allgemein hin Bootsschuhe von Timberland, eine farbige Stoffhose und dazu ein ordentliches Hemd oder im Sommer ein Poloshirt, am besten von der amerikanischen Modemarke „Polo Ralph Lauren“. Ilka ist blond, trägt eine unscheinbare Brille und trägt eine schwarze Bluse. Die kommt aber auch nur aus dem Kleiderschrank, wenn sie ihr Band trägt.

Damenverbindungen sind nichts Neues. Auch wenn Studentenverbindungen für die meisten Studenten eher ein Phänomen aus einem Zac Efron-Film sind, so haben Verbindungen doch eine jahrhundertelange Tradition und nichts mit den Sororities, dem amerikanischen Pendant der Studentinnenverbindung, gemein. Die erste Damenverbindung gab es um ca. 1899 in Bonn. Damals durften Frauen neuerdings auch studieren und wie bei den männlichen Kommilitonen wurde der Wunsch laut, sich in studentischen Gruppen zusammenzuschließen.

Aller Anfang ist schwer

Anders als in oben genannten Filmen ist es in Studentenverbindungen hierzulande nicht das oberste Ziel eine möglichst feuchtfröhliche Studienzeit zu verleben. Es gibt strikte, über Jahrhunderte lang entwickelte Regeln und Prinzipien, den sogenannten Comment, nach denen das Leben in der Verbindung gelebt wird. Die Talithia konnte einen solchen Comment nicht einfach in zwei Jahren entwickeln; bei der Entwicklung des Comments halfen einige Verbindungsstudenten aus dem Freundeskreis, die mit der Idee von Gründungsdame Elisabeth durchaus sympathisierten: Das Projekt, eine neue farbentragende ADV zu gründen wurde vor allem von Mitgliedern der Landsmannschaft Verdensia und der Verbindung Lunaburgia unterstützt. Elisabeth hatte durch das Studium entsprechende Kontakte geknüpft und so war ihr die Unterstützung ihrer Kommilitonen sicher. Die Prinzipien dagegen sind selbst gewählt und spiegeln sich auch in den Farben, Schwarz, Hellblau, Silber, wider: Das Schwarz soll die Verbundenheit mit Göttingen zum Ausdruck bringen, das Hellblau die Nähe zur Landsmannschaft Sedinia, die später in der Landsmannschaft Verdensia aufgegangen ist. Im Haus der Landsmannschaft Verdensia befindet sich zudem die Konstante der Talithia. Aber auch weitere Räumlichkeiten des Hauses können die Damen nutzen, dazu genießt die ADV Unterstützung bei Veranstaltungen durch den pflichtschlagenden Männerbund. Das Silber steht für Harmonie, Aufrichtigkeit und Selbständigkeit. Aber auch Freundschaft, Aufrichtigkeit und Wissenschaft sind Prinzipien der Talithia.

„Maßgeblich unterscheidet uns von den Sororities in den USA, dass wir nicht nur auf Partys aus sind, sondern ein Leben lang einen Freundschaftsbund pflegen möchten. Zudem haben wir das Convents- und das Lebensbundprinzip.“ Erläutert Ilka weiter.

Convente, aus dem Lateinischen stehend für „Zusammenkunft“, sind oft stundenlange Sitzungen, auf denen über das Leben im Bund gesprochen wird. Was während eines Conventes stattfindet ist geheim, meist ist jedoch das Verhalten von Mitgliedern Veranstaltungen der Verbindung und der Zustand der Räumlichkeiten Thema. Bei der Talithia dauern die Convente oft nicht so lange. Bei derzeit drei Mitgliedern passiert nicht so viel wie bei Männerbünden oder anderen, größeren Damenverbindungen, die oft um die 20 aktiv studierende Mitglieder auf einem Convent vereinigen.

Eine Veranstaltung der "Talithinnen": Die Feuerzangenbowle
Eine Veranstaltung der „Talithinnen“: Die Feuerzangenbowle

Es ist kaum zu übersehen, dass die Talithia ein vergleichsweise junger Bund ist. Auch wenn nun bald der zweite Geburtstag der Verbindung ansteht, so ist die Personallage nicht die beste. Wichtige Vorteile, die Mitglieder von Studentenverbindungen haben fehlen den Damen der Talithia: So haben sie kein eigenes Haus, sondern lediglich ein Zimmer im Haus einer Studentenverbindung und auch die Kontakte, die manchen zum Eintritt in eine Studentenverbindung bewegen fehlen, denn „Hohe Damen“, also bereits berufstätige Mitglieder hat die Verbindung noch nicht.

Ilka ist das jüngste Mitglied der Verbindung und hat vor wenigen Wochen ihre Damenprüfung bestanden. Davor war sie Fux, also Mitglied auf Probe. Man merkt ihr an, dass sie gerne Auskunft über die ihre Verbindung gibt und sich dort auch wohlfühlt. Füxe haben es in sogenannten „Fraternities“ und „Sororities“ nicht leicht, das vermitteln zumindest die besagten Filme aus den USA. Das System der amerikanischen Studentenverbindungen ähnelt dem der deutschen Verbindungen nur gering bis gar nicht. Zwar wird in den amerikanischen Pendants auch auf Geselligkeit Wert gelegt, aber das Lebensbundprinzip, das in Deutschland für Studentenverbindungen essenziell ist, findet in den USA nur wenig Anklang.

Der feine Unterschied zwischen Sororities und Damenverbindungen

In deutschen Studentinnenverbindungen ist die Fuxenzeit eher eine Lehrzeit: Nicht nur die Regeln und das Ausleben der Prinzipien müssen gelernt werden, auch das Verhalten bei anderen Verbindungen und die Bedeutung gewisser studentischer Traditionen werden den Füxen dabei nähergebracht. Rituale, bei denen die Mitglieder auf Probe bloßgestellt werden, sucht man vergebens. Eher liegt der Schwerpunkt darauf, sich gut zu benehmen und in Kontakt mit anderen Akademikern zu treten. Dies spiegelt auch die sogenannte Kneipe oder das Bummeln wider. Eine Kneipe ist ein solches Ritual, von dem die Öffentlichkeit meist nichts mitbekommt und die Studentenverbindungen so geheimnisvoll wirken lassen. Bei Kneipen geht es aber nicht etwa darum sich in einem abgeschotteten Raum zu verschwören. Viel eher soll die Gesellschaft gesucht werden. Bei Bier, Studentenliedgut und möglichst anspruchsvollen Vorträgen entstehen so automatisch Gesprächsthemen. Diese Tradition ist mindestens so alt wie das Studententum selbst. Wer nun an einen Raum voller verschwitzter Männer in dunklen Anzügen denkt folgt aber einem Vorurteil: Auch Damenverbindungen haben die Reize solcher Traditionen für sich entdeckt.

Die Göttinger Damen sind bei Weitem nicht die einzige Verbindung, die sich 2014 gegründet hat. Die meisten Damenverbindungen in Deutschland haben sich nach der Jahrtausendwende gegründet, das sind zur Zeit in etwa 50 Korporationen. Damit ist seit dem zweiten Weltkrieg erstmals ein deutlich steigender Trend hinsichtlich der Gründung solcher Verbindungen zu verzeichnen. Dabei werden diese gerade von linken Initiativen oder den Studierendenausschüssen (AStA) kritisch gesehen. Viele halten Verbindungen, in denen nur Frauen Mitglied werden dürfen für Imitationen von Männerverbindungen; etwaige finanzielle Unterstützung von Männerseite aus sei nur ein Symbol der Herablassung.

Festzuhalten ist, dass das Konzept des Lebensbundes und der Geselligkeit noch immer modern ist. Frauen scheinen mittlerweile sogar ein ebenso großes Interesse daran zu haben einen lebenslangen Freundschaftsbund aufzubauen wie Männer. In der Öffentlichkeit finden sie allerdings bislang noch wenig Beachtung. Eine Verbindung braucht Zeit um zu reifen. Die ältesten, und dadurch auch meist reichsten Studentenverbindungen Deutschlands steuern geradewegs auf das 200-Jährige Bestehen. Es ist also logisch, dass Damenverbindungen wie die ADV Talithia nicht über Nacht so groß werden wie die Männerverbindungen. Hält sich allerdings das Interesse der Studentinnenschaft in Deutschland weiter aufrecht in Verbindungen aktiv zu werden, so steht auch den Damen einer goldenen Zukunft nichts mehr im Wege.