Es ist Dienstag, der 22 März 2022 und der Frühling macht sich an diesem Vormittag das erste Mal richtig bemerkbar. Die Sonne hüllt die Straßen der Göttinger Innenstadt in ein warmes Licht und man hört die Kirchenglocken läuten. Ich mache mich heute auf den Weg, um Moritz Wiethaup zu interviewen. Er ist der Geschäftsleiter der Tafel in Göttingen, die sich mitten in der Göttinger Innenstadt in der Mauerstraße 16-17 befindet. Moritz arbeitet dort seit über knapp 10 Jahren und wird mir heute einen kleinen Einblick in die Arbeit und das Konzept der Tafel geben.

Denn es passiert immer wieder: Täglich werden unzählige Lebensmittel weggeworfen, die kurz vor dem Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums stehen oder aufgrund von kleinen Mängeln in der Tonne landen. Insgesamt werden in Deutschland jährlich rund zwölf Millionen Tonnen an Lebensmitteln weggeworfen, das ist kaum vorstellbar. Die Tafel ist eine gemeinnützige Organisation, die dieser Lebensmittelverschwendung den Kampf ansagt und zugleich mit dem Verteilen von geretteten Lebensmitteln bedürftigen Menschen hilft.

Schon vor unserem Interviewtermin, als ich das erste Mal bei der Tafel angerufen hatte und um ein Interview bat, kam Moritz mit seiner freundlichen und offenen Art auf mich zu und sagte: „Kein Problem, komm morgen vorbei.“, und bat mir zugleich das „Du“ an. Auf dem Weg zu unserem Treffen sieht man vor dem Haus, in dem sich die Tafel befindet, noch einige Kund*innen, die darauf warten, bis sie an der Reihe sind, um ihre Ration an Lebensmitteln abzuholen. Vor dem Hintereingang im Hof steht einer der weißen Transporter mit dem orangefarbenen Logo der Göttinger Tafel. Daneben steht Moritz, er hat braune Haare und braune Augen und trägt eine Fleecejacke auf der ebenfalls das Logo der Tafel zu sehen ist und darauf schließen lässt, dass er einer der Mitarbeiter der Organisation ist. Nachdem er mich freundlich begrüßt und hereinbittet, besichtigen wir kurz die Räumlichkeiten, die aus Büros, einer Gemeinschaftsküche für die Mitarbeiter, Lagerräumen und dem Ausgaberaum mit Wartebereich bestehen. Er bietet mir einen Kaffee an, den ich dankend annehme. Wir laufen, beide mit einer heißen Tasse in der Hand, in ein Büro und ich bin gespannt, mehr über das Konzept der Tafel zu erfahren. Moritz begann vor einiger Zeit, zunächst als ehrenamtlicher Helfer, bei der Organisation mitzuwirken. Heute gehört er als Tafel-Geschäftsleiter zu den wichtigsten Mitarbeitenden.

Die Entstehungsgeschichte der Tafel

Haupteingang der Tafel Göttingen Ev. Foto: Tatjana Malina

Die Ursprünge der Tafelbewegung und ihre Entstehung gehen recht weit zurück, bis ins Jahr 1993, wo die erste Tafel in Berlin gründet wurde. Die Göttinger Tafel entstand kurz danach und zählt zu den Tafeln der ersten Generation. 1995 war die offizielle Gründung des Vereins, welcher der Träger der Tafel ist. Bis 2014 befanden sich die Räumlichkeiten der Tafel noch in der Jüdenstraße, bis der Verein umzog und sich in der Mauerstraße 16-17 in der Innenstadt niederließ.

Das Prinzip

„Im Vordergrund stehen zwei Aufgaben der Tafel: Der Lebensmittelverschwendung entgegenzuwirken und bedürftigen Menschen zu helfen“, betont Moritz mit entschlossener Stimme. Die Arbeit bei der Tafel verteilt sich dabei auf drei Arbeitsschritte: Fahrdienst, Sortierung und Ausgabe. Von Montag bis Freitag werden Vormittags ab 8 Uhr die Lebensmittelspenden von den teilnehmenden Supermärkten, Tankstellen und Bäckereien eingesammelt. Insgesamt kooperieren 55 bis 60 Märkte mit der Tafel, darunter auch bekannte Supermarktketten wie Edeka und Teegut. Sie liefern der Tafel Lebensmittel, die nicht mehr verkauft werden sollen, dessen Mindesthaltbarkeitsdatum aber noch nicht überschritten ist. So werden Lebensmittel gerettet, die noch zu gut sind, um in der Tonne zu landen und können dafür genutzt werden noch vielen Menschen zu helfen.

Lebensmittelspenden im Ausgaberaum. Foto: Tatjana Malina

Neben den Spenden der Großmärkte erreichen die Tafel ab und zu auch Spenden von Privatpersonen, das werde genauso gern gesehen, komme aber unregelmäßiger vor, erklärt Moritz. Neben Obst und Gemüse ist alles mit dabei: Brot, Joghurt, Käse – sogar Blumen sind heute im Angebot. Was an dem Tag gespendet wird, wissen die Helfer*innen nicht. „Oft haben wir genug von Allem, manchmal aber auch von vielen Dingen zu wenig“, so Moritz. Im Anschluss wird die Ware sortiert, bevor sie schließlich zweimal täglich an der Theke im Ausgaberaum an die Kund*innen der Tafel verteilt wird. Bei der Ausgabe wird versucht darauf zu achten, dass die Wünsche der Kund*innen berücksichtigt werden. Vorab wird dazu ein persönliches Gespräch geführt, um abzuklären, ob sie möglicherweise kulturelle, ethische oder religiöse Einschränkungen in ihrer Ernährung haben.

Herausforderungen

Obwohl der Umzug in die Mauerstraße eine Verbesserung bezüglich der Größe der Räumlichkeiten mit sich brachte, wurde nach einiger Zeit klar, dass durch den großen Andrang der Kundschaft auch diese Geschäftsstelle leider zu wenig Platz bietet. Da der Wartebereich nicht ausreicht und die seit zwei Jahren vorherrschende Corona-Pandemie auch einen gewissen Sicherheitsabstand fordert, sieht man oft viele Kund*innen vor der Tür der Ausgabestelle. „Die längeren Wartezeiten sind vor allem im Winter eine Zumutung und das schmerzt uns natürlich“, sagt Moritz. Denn die Kund*innen müssen viel Zeit draußen auf der Straße verbringen, während sie warten an der Reihe zu sein. „Dennoch sind wir dankbar, dass wir während der Corona-Zeit offen bleiben durften und da sein können für alle Menschen, die der Hilfe bedürfen“, fügt er hinzu.

Neben der Ausgabestelle in Göttingen zählen noch vier weitere Außenstellen zu denen des Göttinger Tafel e.V., die sich in Grone, Geismar, Bovenden und Holtenser Berg befinden. Abschließend erzählt Moritz, dass die Tafel neben ihrem regulären Geschäft noch viele weitere Projekte, wie Aufklärungsarbeiten in Schulen plant und durchführt. Der Besuch bei der Tafel und das Gespräch mit Moritz zeigen, was für einen wichtigen Beitrag die Tafel für unsere Gesellschaft leistet, indem sie vielen Menschen hilft ihren Lebensunterhalt zu sichern und dass alle die dort mitwirken wahre Lebensmittelretter*innen sind.