Adlige Personen sind unermesslich reich, monarchistisch, leben in ihrer eigenen Welt, sind überheblich und verkehren nur unter ihresgleichen. Wie sollte es auch anders sein? Wenn sie dann auch noch Schlösser besitzen und im besten Fall selbige bewohnen, ist das Bild einer abgehobenen, rückwärtsgewandten Person perfekt. Aber ist das wirklich immer der Fall? Oder lassen wir uns manchmal nur allzu gerne von Klischees und Gerüchten mitreißen, ohne wirklich etwas über diese Personen zu wissen? Alexander Fürst zu Schaumburg-Lippe ist eine dieser Personen. Im Folgenden gewährt er Einblicke in sein Leben und seine Arbeit und zeigt auf diese Weise, dass seine Position nicht nur Vorteile mit sich bringt.

Alexander Fürst zu Schaumburg-Lippe

Eine unerwartete Wendung
Bis zu seinem 24. Lebensjahr war Fürst Alexander nicht klar, dass er einmal der Chef des Hauses Schaumburg-Lippe werden würde. Der zweitgeborene Sohn des damaligen Hauschefs Philipp Ernst zu Schaumburg Lippe hatte eigentlich andere Pläne: er studierte Musik-, Politik- und Kommunikationswissenschaften mit dem Berufsziel Journalismus. Als jedoch sein älterer Bruder Georg-Wilhelm tragischerweise bei einem Unfall verstarb, begann für den Fürsten eine turbulente Zeit. Seit 2003 ist er nun das Oberhaupt des Hauses.

Erbregelungen des Hauses Schaumburg-Lippe
Wie bei vielen anderen adligen Familien, wird auch im Haus Schaumburg-Lippe die Weitergabe des Besitzes durch die agnatische Erbfolge geregelt. Damit ist gemeint, dass der Hauptbesitz des Erbes an den nächsten männlichen Nachkommen weitervererbt wird. Das Heißt: wenn es einen männlichen Nachkommen gibt. Selbst wenn dies für den Außenstehenden klingen mag, wie etwas aus einer anderen Zeit, wird diese Regelung nicht infrage gestellt, da dies eine Familientradition sei. Aufgrund der Tatsache, dass die Standesvorrechte des Adels mit der Weimarer Reichsverfassung 1918 abgeschafft wurden, ist diese Regelung sowieso politisch irrelevant und muss, wenn überhaupt, nur familienintern diskutiert werden. Daneben besteht noch die Vorschrift, dass der Erbe Protestant sein muss. Arrangierte Ehen sind in diesem Haus allerdings nicht mehr üblich.

Schloss Bückeburg ist bis heute der Stammsitz des Hauses Schaumburg-Lippe.

Der Ausbildungsweg des Fürsten
Da der Erstgeborene eigentlich von vornherein auf diese Aufgabe vorbereitet wird, hatte Schaumburg-Lippe sich nun einem „Regime von gewissen Ausbildungsstationen“ zu unterwerfen, die ihm, wie er sagt, „vom Naturell her überhaupt nicht lagen“. Anstelle eines Journalisten, sollte er jetzt der Leiter eines umfangreichen Familien- und Schlossbetriebes werden, sich mit Banken und Wirtschaftsprüfung beschäftigen, anstatt mit Politik und Musik, wie es eigentlich sein Wunsch gewesen ist. Aus diesem Grund wechselte Fürst Alexander nochmal seinen Studiengang hin zu einem Fach, welches ihm bei seiner späteren Position nützlich sein könnte. Schaumburg-Lippe entschied sich deshalb für Jura, da „sich das auch für Journalismus sehr gut eignet“.

Verantwortungs- und Pflichtgefühl gegenüber der Familie
Wie viel Verantwortung die bevorstehenden Aufgaben als Familienoberhaupt und Schlossherr wirklich mit sich bringen, wurde dem Fürsten erst bewusst, als er diese Aufgaben übernahm. Nun wurde er auch mit den Schattenseiten konfrontiert: Personen, die im Internet seit Jahren gegen ihn hetzen, da sie seiner Einschätzung nach, den Besitz eines Schlosses mit großem Reichtum seines Besitzers gleichsetzen. Über derartige Unterstellungen ärgert sich Fürst Alexander, mit der Begründung, dass nur selten die Leute sehen würden, dass so ein riesiger Gebäudekomplex sehr viel Geld verschlinge und im Wesentlichen Verantwortung bedeute. Anders als viele denken, bekommt der Fürst keinen staatlichen Zuschuss. Um seine wirtschaftliche Position zu verbessern, könnte er sich theoretisch vom Schloss und vom Grundbesitz trennen. Da der Grundbesitz nicht besonders viel abwerfe, sei er kein so schwerreicher Mann, wie Einige glauben. Durch die Familientradition und dem damit verbundenen Pflichtgefühl, ist der Verkauf der Besitzungen für ihn jedoch undenkbar, da er dies als „Verrat an der nächsten Generation“ sehen würde. Nie hat er sich die Frage gestellt, ob er die Position ablehnen oder wieder abgeben sollte. Als Begründung führt er „dieses Pflicht- und Verpflichtungsgefühl, das man einfach mit der Muttermilch aufsaugt“ an. Sein älterer Bruder hatte dies genauso gesehen, obwohl er von seinem ganzen Wesen und von seiner Lebenseinstellung her nicht in ein Schloss gepasst hätte, wie der Fürst erzählt: „Er bewegte sich unter Hippies und das war bis an sein Lebensende der Fall und ich glaube nicht, dass er sich in seinem Leben nochmal maßgeblich geändert hätte. Dennoch hat er das nie in Frage gestellt, dass er das hier machen wollte.“ Dieses Pflichtgefühl gegenüber der Familie äußere sich auch darin, so der Fürst weiter, dass man vor den Ahnen bestehen möchte und nicht der Letzte in der Reihe von Familienoberhäuptern sein möchte, dem es dann nicht mehr gelingt, die Familientradition fortzuführen.

Der Titel „Fürst“
Obwohl der Fürst mit vollem Namen eigentlich Ernst-August Alexander Christian Viktor Hubert Prinz zu Schaumburg heißt, nennt er sich, seitdem er der Chef des Hauses ist, nur noch Fürst Alexander. „Alexander war schon immer mein Rufname“, erklärt der Fürst, „aber Ernst-August haben meine Eltern nach vorne gestellt, weil dieser Pate besonders hoch gestellt war.“ Hierbei handelt es sich um Ernst-August von Hannover. Der Titel Fürst ist eine Art Ehrentitel, der früher einmal ein Primogeniturtitel war, also ein Titel, der nur an den Erstgeborenen oder den Erben weitergegeben wurde. Dadurch, dass es diese Primogeniturtitel im Namensrecht nicht mehr gibt, man sie aber dennoch führen darf, tun das die meisten hochadeligen Hauschefs auch, ohne diese Bezeichnung im Pass stehen zu haben. Der Titel besage somit nur, wie Fürst Alexander sagt, dass jemand Oberhaupt eines fürstlichen Hauses sei und nicht, dass damit irgendwelche monarchischen Ansprüche erhoben würden. Fürst Alexander trägt diesen Titel ebenfalls aus Gründen der Traditionspflege und nicht aufgrund von Herrschaftsansprüchen. Die Titel Prinz und Prinzessin hingegen sind seit der Abschaffung der Standesvorrechte des Adels nur noch Namensbestandteil.

Der große Festsaal im Schloss wurde erst im Jahre 1893 erbaut und war bereits mit Elektrizität ausgestattet.

Aufgaben und Engagements des Fürsten
Als Chef des Hauses Schaumburg-Lippe ist die Aufgabe des Fürsten vor allem, die Interessen des Hauses nach innen und nach außen zu vertreten. Dazu gehört auch, den Familienzusammenhalt zu gewährleisten. Was bei größeren Häusern in dem Sinne nicht möglich sei, gelingt Fürst Alexander mit gewissen Abstrichen ganz gut, wie er selbst meint. Neben seiner beruflichen Tätigkeit engagiert sich Schaumburg-Lippe in mehreren Organisationen. So war er mal als Schirmherr für die Organisation Mishan tätig und unternahm in diesem Zusammenhang auch mehrere Reisen nach Israel, wo er die Möglichkeit bekam, mit Shoah-Überlebenden zu sprechen. Diese Organisation kümmert sich unter anderem um Alten- und Behindertenheime in Israel. Als der Fürst jedoch herausfand, dass die Personen, die diese Organisation in Deutschland betrieben, überhaupt nicht mehr ihrer Arbeit nachkamen, entschied er kurzum, sich nicht weiter für diese Organisation zu engagieren. Zurzeit gilt sein Einsatz vor allem der amerikanisch-jüdischen Organisation „Hadassah“, die ein Hospital in Jerusalem unterstützt: das größte medizinische Zentrum des Mittleren Ostens. Diese Organisation ist die größte internationale jüdische Wohlfahrtsorganisation der Welt. Der Fürst arbeitet in dieser Organisation in einem Ehrenkomitee mit und gründete in diesem Zusammenhang eine Suborganisation, die sich „POP-Support“ („poorest of the poor“) nennt. Diese beziehe sich auf einen Fonds bei „Hadassah“ in Jerusalem und solle Menschen, die sich keine medizinische Behandlung leisten können, eine solche ermöglichen, so der Fürst. Da Israelis automatisch krankenversichert seien, profitieren von diesem Fonds vornehmlich arabische Palästinenser. Schaumburg-Lippe sieht in diesem Fonds einen wichtigen Schritt hin zum Frieden zwischen Israelis und Palästinensern, da Juden und Palästinenser hier friedlich zusammen arbeiten würden und man merke, dass der andere sehr hilfsbereit sei.
Auch engagiert sich Fürst Alexander seit dreizehn Jahren in der FDP, allerdings ohne das Ziel, ein Mandat zu erlangen. Dies hält er schon deshalb nicht für erstrebenswert, wie er sagt, weil die Meinungen über Aristokraten in diesem Land sehr kontrovers seien und er sich nicht obendrein in die problematische Situation eines Politikers begeben möchte, der wenig gelobt aber ständig kritisiert werden würde.

Aufstieg und Fall des Hauses
Das Haus Schaumburg-Lippe war durch den vierfachen Urgroßvater Fürst Alexanders, Georg Wilhelm, einmal die fünftreichste Familie in Deutschland. Diesem gelang es sowohl durch strikte Sparsamkeit, Kohleförderung, den Verkauf von Salz und Sandstein, als auch durch die Errichtung einer Einbahnlinie von Minden nach Hannover, ein Vermögen anzuhäufen. Mit dem Verkauf der Eisenbahnlinie durch seinen Sohn Adolf Georg an den Deutschen Bund für 800 Millionen Reichsmark hatte die Familie vorerst ausgesorgt. Allerdings haben Adolf II. und dessen Ehefrau es geschafft, innerhalb von vierzehn Jahren dieses Geld zu verspielen. „Dieses liegt am Spieltisch von Monte Carlo, es ist buchstäblich nichts übriggeblieben“, resümiert der Fürst. Nun muss das Geld auf anderem Wege in die Hauskasse gelangen.

Die Besitzungen der Familie
Im beschaulichen Bückeburg, umgeben von einem herrlichen Park, liegt das prächtige und prunkvolle Schloss Bückeburg. Es öffnet seine Pforten für die Besucher schon seit 1918 und ist deshalb der älteste Besichtigungsbetrieb in Niedersachsen. Der Fürst ist der Ansicht, dass „dieses Haus seinen eigenen Unterhalt verdienen muss“. Der Familie ist es gelungen, zwei erfolgreiche Veranstaltungen zu etablieren: die „Landpartie“ im Frühling und den „Weihnachtszauber“ in der Adventszeit. Zusammen locken die beiden Events über 100.000 Besucher in die Stadt, die selbst nur circa 20.000 Einwohner hat. Überdies wird das Schloss für diverse andere Veranstaltungen zur Verfügung gestellt, beispielsweise Firmenfeste oder private Feiern im Familien- oder Freundeskreis. Fürst Alexander ließ außerdem eine Gastronomie in das Haus einbauen. Im Schlosspark richtete er zudem den ersten norddeutschen Biergarten nach bayerischem Modell ein, der im Mai wiedereröffnet werden soll. Eine weitere Gastronomie findet sich auf dem Berg Harrl im Idaturm. Die Festung Wilhelmstein im Steinhuder Meer gehört ebenfalls zum Familienbesitz und lockt zahlreiche Besucher an. Ein weiteres Gebäude im Familienbesitz ist die 1907 vom Kaiser zurückerhaltene Schaumburg.

Verhältnis zu den Bürgern
Ein Kennzeichen des Hauses Schaumburg-Lippe ist und war selbst zu monarchischen Zeiten die Bürgernähe. Bereits damals hatten die Bürger wesentlich direkteren Kontakt zu ihrem Monarchen, als das in größeren Staaten üblich und möglich war. Fürst Alexander hält ebenfalls nichts von einer Abschottung gegenüber der Bevölkerung und hat viel Kontakt zu den Bürgern der kleinen Stadt Bückeburg. Deshalb kann er sich dort auch ganz frei bewegen, ohne für großes Aufsehen zu sorgen. Diese Nähe wird noch zusätzlich gefördert durch seine Beziehungen in die lokale Musikerszene, da er selbst begeisterter Hobbypianist ist. Laut Aussagen seiner Angestellten sei der Chef von 130 Mitarbeitern ein sehr guter und fairer Arbeitgeber in dieser Region, bei dem ihnen die Arbeit große Freude bereite.

Alles in Allem scheint es, als sei Fürst Alexander mit sich und der Welt im Reinen. Die Klischees, mit denen sich viele Adlige immer wieder auseinandersetzen müssen, werden jedenfalls von diesem Fürsten nicht bedient. Er ist weder unermesslich reich, noch überheblich oder unnahbar, da er viel Kontakt und ein sehr gutes Verhältnis zu den Bürgern hat. Von monarchistisch oder „in der eigenen Welt leben“, wie der Vorwurf oftmals lautet, kann ebenfalls nicht die Rede sein, wenn man einen Blick auf seine ganzen Aufgaben und Engagements wirft, egal ob in einer Organisation, einer Partei oder auf dem Schloss, dessen Türen stets offen sind. Denn die „Bürgernähe war immer ein Kennzeichen des Hauses“.